Wie sieht ein Tag im Waldkindergarten aus?

Das ist natürlich von vielen Faktoren abhängig: vom Wetter, der Jahreszeit, dem ausgewählten Waldplatz... doch wir beginnen jeden Morgen gemeinsam am Bauwagenplatz mit dem Morgenkreis. Mit bepacktem Bollerwagen machen wir uns dann auf den Weg zu den verschiedenen Waldplätzen. Unterwegs gibt es viel zu entdecken, zu sammeln und zu erzählen. Am Ziel angekommen, beginnt das freie Spielen. Entweder toben wir uns gründlich aus oder erfinden mit unseren Freunden und Freundinnen Rollenspiele. Da wird der Baumstamm zum schnellen Pferd, oder zur Trommel, wir sind mutige Tierschützer/innen oder spielen einfach »Mutter und Kind« im Kaufladen, zuhause, in der Schule und anderswo. Manchmal bauen wir ein bewohnbares Tipi, ein gemütliches Sofa aus Zweigen, Zwergenhäuser aus Moos oder einen Flechtzaun. Langeweile kommt bei uns jedenfalls nicht auf. Unsere Brotzeit haben wir im Rucksack dabei. Auf unserem Bollerwagen befindet sich Wasser, Lavaerde, Handtücher und sogar ein Handy und eine Erste-Hilfe-Tasche. Nach der Brotzeit gestalten die Erzieher/innen den weiteren Ablauf gemeinsam mit den Kindern. Gemeinsames Spielen, Sammeln, Basteln, Planen von Projekten, Regelabsprachen u.v.m. Und dann müssen wir uns schon auf den Rückweg machen, um den gemeinsamen Abschlusskreis zu gestalten. Unsere Eltern nehmen uns schmutzig, doch dafür zufrieden, in Empfang. Für den Austausch mit den Eltern besteht in den Bring- und Abholphasen Gelegenheit. Elternbriefe, Elternabende und verschiedene Formen von Dokumentationen lassen Eltern ebenso am Geschehen teilhaben.

Tagebuch

Tagebuchtexte Woche vom 7. bis 10. Oktober
Die ersten zwei Tage viel Wind und Regen.

Dienstag
Wir knoten Schnüre an die Henkel von Plastiktüten, binden ein Haltestöckchen zum auf- und abrollen daran und ziehen im Gänsemarsch die Straße entlang, "erklettern" den Wiesenpfad Richtung Ludwigshöhe. Lukas findets toll; auch zu spüren, wie schwer die Luft die Tüte macht; als Tanjas "Drache" auskommt, saust sie wie der Wind hinterher und bringt ihn zurück. Anna und Gabriela stapfen im hohen Gras, die Stöckchen fest im Griff; ich halte einen Drachen hoch, die Kinder versuchen, ihn zu ergreifen, manchmal gelingts, doch meist lässt ihn der Wind zu wild umhertanzen.

Mittwoch
Ein Ausflug zu Tanjas Hof. Kinderparadies. es war gar nicht so leicht, den Überblick zu behalten; z.B. war Markus nicht zu sehen, Andrea entdeckte ihn dann im Hausflur, er war schon mal reingegangen und dabei, sich auszuziehen, um dort zu brotzeiten. Wir alle sammelten eifrig Walnüsse. 2 Eimer voll; dabei sangen wir das Lied "Der Herbst, ..., ..., ist da, er bringt uns Wind hei hussasa ..." Lukas, Julian und Martin quetschten Falläpfel mit einer Holzstange zu Mus; sie reagieren einsichtig, als ich sie bitte, wirklich nur angefaulte Äpfel zu verwenden; auch als Tanja ihre Kletterstange (Apfelquetsche) fordert, sind sie sofort mit einem Alternativ-Holz einverstanden, welches ich ihnen anbiete.

Donnerstag
Heute ist erstmalig Sabine mit Thomas da. Wir begrüßen sie im Morgenkreis und spielen kurz "...ist heute denn die ... da". Anschließend erzähle ich vom neuen Bauwagen bzw. schlage vor, schon mal auszumisten; wir finden viele Flaschen, für die wir ja noch Geld bekommen (Recycling). Dann wollen wir los zum neuen Brotzeitplatz unterm Baum. Anna liegt am Boden und ist nicht bereit, aufzustehen und mitzugehen. Wir warten, ermuntern sie spielerisch; nichts zu machen... Als ich zurücklaufe, um sie zu holen, kommt sie mir weinend entgegen. Als sie gleich darauf stolpert und hinfällt, rappelt sie sich sofort wieder auf und läuft fröhlich weiter. Während der Brotzeit genießen Julian, Gabriela und Sabine den Ausblick – nach Norden zum Gestüt und liegend nach oben ins Geäst. Wir merken, der Platz ist heute nicht so schön windgeschützt wie sonst. Zurück am Bauwagen versammeln wir uns zum Nüsse knacken (mit einem Stein). Wir essen genüßlich die selbstgefundene Mahlzeit. Matthias und Tanja einigen sich selbständig, wer wann, wie lange den "Knackstein" bekommt. Lukas schält geduldig rohe Esskastanien , die ich ihm ersatzweise mitgebracht habe. Julian und Martin spielen im Sand und schöpften mit Benedikt in das Wasser aus dem Lehmbottich. Gegen Ende frage ich Lukas, wann er denn einen Laden öffnet. Er hatte am Morgen selbstgeschriebene Preisschilder (z.B. 10 Euro) mitgebracht und aus Zapfen, Gras und Stöckchen einiges zum Verkaufen gebastelt und bereitgelegt. Den Korb, den ich dann erwerbe, darf ich allerdings noch nicht mitnehmen; dafür bekomme ich von ihm eine Quittung (Eichelhütchen), dass er schon bezahlt ist.

Woche vom 14. bis 17. Oktober
Dienstag Morgens, als ich komme, rauchts im Kamin, die Kinder spielen und sind beschäftigt. Um die Utensilien für unser geplantes Apfelkompott zu verstauen, fange ich an, den Bauwagen aufzuräumen und vergesse die Zeit. Andrea ist mal hier, mal da, von Gruppe zu Gruppe. Tanja fährt Anna und Gabriela im Bollerwagen, abwechselnd schiebt jemand an und hilft. Manchmal morgens, wenn ich komme, fällt es mir schwer, die Kinder von ihrem schon intensiven Spiel in den Morgenkreis zu holen. Heute treffen wir uns alle erst zur Brotzeit. Diese ist lange, ausgiebig und lustig. Trotz des langen Gedichts vom "schlafenden Apfel" bleibt jeder aufmerksam im Kreis (von mir darstellend vorgetragen). Oft ist das Darstellen nicht so einfach wie im "normalen" Kindergarten, da die Umgebung voller "Ablenkung" ist und besonders die Großen ihrem Tatendrang nachgehen wollen.

Mittwoch
Heute nun haben wir Äpfel in Hülle und Fülle und beginnen gleich nach der Begrüßung , den Tisch (aus dem alten Bauwagen) für die "Apfelkompott-Aktion" vorzubereiten. Gabriela, Anna, Johannes, Tanja, Benedikt und Matthias sind eifrige Kleinschneider und wenn wir auch immer wieder auf die Messerhaltung aufmerksam machen müssen, schaffen es alle, ohne sich zu schneiden. Sie sind mächtig stolz, als der Topf voll ist. Gegen Ende will Lukas noch mitmachen, entdeckt, wie gut die Äpfel schmecken und läuft zu Julian und Martin zum Sandhaufen, um sie kosten zu lassen. Meinen Vorschlag "Mund auf, Augen zu..." nimmt er sofort auf und die beiden auch an. Wir singen das Lied "In einem kleinen Apfel..." Die Kinder lernen Zimtstangen und Nelken kennen; wir wiederholen das Apfellied und löffeln mit Appetit unser Kompott; Anschließend fordere ich die "Nichtschnippsler" zum Abwaschen auf, um auch etwas für die Gemeinschaft beizutragen. Es hätte viel mehr Geschirr sein können. Die Schalen und Kerngehäuse bringen wir alle zur Rehhütte.

Donnerstag
Aufgrund des kalten Windes (minus 3 Grad) beschließen wir zum Weiher zu gehen. Sowohl Thomas und Sabine als auch Viktoria und Dominique verabschieden sich wieder von uns. Viktoria ist nicht warm genug angezogen und Thomas hatte am Vortag 40 Grad Fieber. Lukas, Julian, Matthias und Martin wollen ein Lager für sich, auch alleine Brotzeit machen; für heute kommt mir dies zu überraschend. Aber ich verspreche, ihnen eine Ausnahme für nächste Woche... Unseren Platz schlagen wir im Wald auf (Weiherufer in Blickweite). Alte, zum Teil entästete Baumstämme werden mit vereinten Kräften herumgeschleppt und in Tippi-Art um einen stehenden Baum angeordnet. Als Benedikt in alleine am Weiherufer steht und Steinchen ins Wasser wirft, fühlen Martin und Lukas sich berufen, ihn zurechtzuweisen. Auf dem Rückweg sehen wir noch nach, ob die Rehe unser Futter geholt haben – aber nein. Jeder sammelt noch so viel Holz, wie er tragen kann, bevor wir zum Wagenzurückkehren. Matthias zieht es vor, schon vorauszugehen (leider ohne Bescheid zu sagen). Als wir ankommen, hat er bereits unsere Sitzklötze auf der Veranda im Rund aufgestellt – so eine Überraschung. Wichtiger Nachtrag zu letzter Woche: Johannes ist nun beim Begrüßungs- und Abschiedskreis dabei!

Woche vom 21. bis 24. Oktober
Um gleich oben anzuknüpfen: am liebsten gibt Johannes im Kreis Benedikt die Hand, geht sozusagen los, um ihn zu holen. Dienstag Vieles hat "sich" angesammelt im Wagen: Eicheln, Kastanien, Eichelhütchen, Nussschalen-Hälften... So kleben wir doch z.B. Beine an die halbe Nuss und lassen dann unsere "Käfer" und "Spinnen" loslaufen und sich ein Winterquartier suchen. Leider klebt der Kleber nicht gescheit. Durchaus möglich, dass er zu kalt und feucht ist. Aber dennoch sind die Mädels und Matthias lange im Materialspiel beschäftigt. Julian, Martin und zum Teil auch Johannes und Benedikt sitzen vor ihrem imaginären Lagerfeuer und grillen Würstchen. Im Anschluss an die Brotzeit – die genießen wir alle immer sehr und haben viel zu lachen – machen wir noch einen Spaziergang in den Blätterwald.

Mittwoch
Wir beladen den allseits beladenen Bollerwagen und machen uns auf den Weg Richtung Ludwigshöhe. Die Jungs laufen vor bis zum Stein, dort warten sie auf uns andere (klappt super!). Zu viele Schranken (lange Stöcke) erwarten uns. Erst öffnen sie sich einladend, doch dann bleibt Julians geschlossen. Er genießt es, als ich den "Fehler" suche und an Nase, Ohr, Schulter... herumprobiere. Klar sind nun alle anderen Schranken auch defekt. Ein langwieriges Weiterkommen... Am Waldrand entdecke ich einige Rindenstücke; eines mit zwei Astlöchern (Augen) und so groß, dass es ganz mein Gesicht bedeckt. So begegne ich den Kindern und erzähle ein bisschen vom Wald. Martin und Julian halten sich sogleich auch Rindenmasken vor und stapfen "Hü"-end in die Wiese, Richtung Ludwigshöhe. Benjamin fordert mich begeistert immer wieder auf, den Wald oder Baum sprechen zu lassen. Tanjas Maske bekommt noch Haare und Bart. Anna will unbedingt mit aufs Foto. Es gefällt ihr hinter der Maske zu sein, nachdem es ihr vorher nicht ganz geheuer war.

Donnerstag
Heute ist Susanna bei uns zu Besuch und sie ist uns eine große Hilfe beim Äpfel in Scheiben schneiden und zum Trocknen aufhängen. Es bleibt zu hoffen, dass sie nicht schimmeln und wir tatsächlich im Winter davon essen können. Julian, Lukas und die Kleinen sind krank, so dass wir eine kleine Gruppe sind. Nachdem wir uns über verschiedene Überwinterungs-Gewohnheiten von einigen Tieren gelesen und erzählt haben, basteln wir Kastanien-Igel. Sie sind schon recht hart und wir müssen uns ganz schön plagen. Die Bohrer sind super, davon könnten wir noch mehr gebrauchen. Gabriela und Anna lassen ihre Igel auch gleich miteinander sprechen und umherspazieren.

Woche vom 4. bis 7. November
Andrea bringt Wiener mit, ich Semmeln. Wir wollen heiße Würstchen zur Brotzeit essen. Im Morgenkreis besprechen wir, was wir brauchen, um die Würstchen zu wärmen. Dann gehen wir in den Wald, um Feuerholz zu holen. Benedikt, Gabriela und Anna klettern und rutschen lieber. So wild und albern die Jungs heute sind, sobald wir uns um die Feuerstelle sammeln, genauso aufmerksam und andächtig genießen sie die Aktion. Wir lagern bestimmt eineinviertel Stunden, erzählen über Feuer, wie die Leute früher gekocht haben oder heute auch noch andere Völker. Im Anschluss daran noch die Geschichte vom Heiligen Martin. Währen der letzten Stunde sind die Großen Jungs vor die Aufgabe gestellt: "Wie erziehen wir Benedikt dazu, unsere gebauten Zeichen in Ruhe zu lassen?" Zweimal kommen sie und bitten mich um Hilfe. Sie sind am Waldrand, Andrea und ich räumen um, für den Winter am Bauwagen. Tanja, Gabriela und Anna fletzen in der Sonne, noch weiter am Feuerplatz (das Feuer ist schon lange aus!). Es entstehen noch eine kleiner Garten im Sand: aus abgeschnittenen Gräsern von Tanja und Druckbilder mit Blättern (das erste mal ausprobiert).

Mittwoch Ein wenig enttäuscht sind Lukas, Julian, Matthias und Martin schon, als ich ohne Auto komme: sie hatten die Einfahrt mit IKEA (gelegt aus Hölzchen auf dem Boden) zugebaut. Diese Anlage bleibt für heute ihr Spielplatz. Wir Frauen legen Mandalas im Sand. Gabrielas und Annas Hingabe und Konzentration – über eine dreiviertel Stunde – faszinieren uns. Ausnahmsweise dürfen Matthias, Lukas, Julian und Martin heute alleine, abseits am Waldrand, essen. Allerdings waren sie knapp davor, sich dieses Privileg zu verscherzen; wollten sie doch tatsächlich "heimlich" ihre Rucksäcke holen; Andrea und ich müssen lachen, als wir sie über mich schimpfen hören in ihrem Lager, nachdem ich sie zurückgepfiffen hatte und sie ihre Rucksäcke wieder zurückbringen mussten. Nach der Brotzeit singe und spiele ich das St.-Martinslied. Es kommt gut an und wir wiederholen es sicher dreimal.

Donnerstag Wir gehen mit zwei Rechen in den Wald, bilden einen großen Laubhaufen und lassen den Igel Winterschlaf halten. Anfangs sind nur Andrea und ich die Igel, werden dick zugedeckt und schlafen schnarchend bis zum Frühling. Lorenz findet Gefallen daran und die anderen sind begeisterte "Zudecker" – immer wieder. Gott sei Dank hat Frank eine Drahtzange im Auto, um den verrosteten Stacheldraht abzuzwicken, den wir finden. Nach der Brotzeit schnappt sich jedes Kind sein (Stecken-)Pferd und die Heiligen Martins gallopieren mit Zeitungsmantel und Schwert auf unserer Lichtung. Wir schlüpfen auch in die Rolle des Bettlers. Freitag Kalter Wind treibt uns in den Wald. Dort (Marienplatz) gibt es in Null-Komma-Nix ein Wolfslager aus Tannenreisig und die Wölfe krabbeln auf Beutezug. Tanja und die Kleinen vergnügen sich klettern und rutschend ein wenig abseits. Alle bewegen sich sehr sicher. Anna sieht mir beim Kleinholz machen zu und beginnt zu helfen. Den Brotzeitplatz sucht Julian aus (sein Geburtstag) und wir ziehen an den Waldrand – mit Blick zu den Pferden. Er hat unter den Fichte zwischen zwei moosigen Wurzeln seinen Lieblingsplatz. Meine Tochter Antonia brachte aus der Schule ein neues Geburtstagslied mit: Vor vielen Jahren wie bestellt, kam ein Baby auf die Welt, ohne Zähne, ohne Schuh, liebe/r ..., das warst du, hast geweint und hast gelacht, manche Windeln vollgemacht, heute tust du das nicht mehr, herzlichen Glückwunsch! Du bist das Geburtstagskind, herzlichen Glückwunsch! Tanja wird mit einbezogen und beide bekommen einen kleinen Edelstein als Geschenk. Bis auf Tanja und Martin gehen alle Kinder die Wiese hoch, bis zum Hügel, laufen, rennen und kullern durchs Gras. Tanja fädelt Blätter auf eine Schnur, Martin hilft ihr, passende Blätter zu finden, ich lege eine farbverlaufende Blätterschlange ins Moos.
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Waldkindergarten Straßlach-Dingharting